Donnerstag, 24. Mai 2012

Die Zeit heilt nicht alle Wunden

Mit Einverständnis meiner Mutter veröffentliche ich ihre Geschichte. Die Zeit heilt nicht alle Wunden. Die betagte Schlesierin wird dieses Jahr 90 Jahre. Ich war oft mit ihr beim Schlesiertreff. Es gibt noch Zeitzeugen. Was Frau Steinbach erzählt hat, deckt sich mit den Erzählungen meiner Mutter, der Verwandtschaft und den anderen Schlesiern.

Sie mussten Schlesien verlassen. Wer "Glück" hatte, hatte mehr als 24 Stunden Zeit. Ihr Habe blieb dort. Sie nahmen das, was sie tragen konnten. Kinder auf den Rücken oder auf den Schlitten. Polen waren hinter den Frauen her. Vergewaltigungen waren an der Tagesordnung. Wegen der Schädigung der deutsch-polnischen Außenbeziehungen darf man das nicht erwähnen. Ist mir doch wurscht.

Sie rannten zusätzlich vor den Russen weg. Sie kamen. Vergewaltigungen waren an der Tagesordnung. Von Berlin aus floh sie nach Bayern mit meinem damaligen Babybruder. Die Flüchtlingszüge, die hauptsächlich aus Frauen und Kindern bestanden, wurden von alliierten Tieffliegern beschossen. Sie hat mir die Gesichter der Tieffliegerpiloten beschrieben. Sie schossen auf alles, was sich bewegte.

Wenn sie die ankommenden Flugzeuge hörten, sind sie in die Wälder gerannt. Wenn kein Wald da war, war auch kein Schutz.

In Bayern wurden sie schlecht behandelt. Die Rucksackdeutschen. Bevor ich persönlich eine Handtasche trage, nehme ich lieber einen Rucksack. Wer Glück hatte, durfte im Heuschober schlafen. Gerade die Frauen waren den Angriffen der Bayern ausgesetzt. Hübsche Frau, dann kannste Pech haben. Meine Mutter hat sich eine Heugabel neben ihr Lager gelegt. Das Baby lag auf ihr. Die meisten Männer hatten Hemmungen Frauen etwas anzutun, wenn sie ein Baby bei sich hatten. Insofern haben die Babys ihre Mütter beschützt.

Vergewaltigung hat sie erlebt. Das waren aufgehetzte Russen. Stellen wir uns nicht die Schuldfrage. Stellen wir uns die Frage, warum Menschen sich so etwas antun?!

Meine Mutter erzählt heute noch davon. Es ist ein Mischung aus "Krimi", vielen Tränen. Sie hat Albträume. Ich kenne sie alle. Jede einzelne Geschichte. Wenn sie anfängt zu erzählen, verdrehe ich nicht die Augen. Ich höre zu. Sie kann die Bombennächte und die Schreie der gequälten verletzten und sterbenden Menschen nicht vergessen. Sie hört das heute noch.

Ich kenne die Erzählungen der niederländischen Verwandtschaft. Nederlandse hat fleißig ausgeliefert. Alles, was irgendwem nicht passte. Die anderen Länder auch. Sie bekamen für die Infos und die Deportationen Geld. Der Transport fing an mit den eigenen Bahngesellschaften. Ab einem bestimmten Ziel wurde umgekoppelt. Das ist für mich rücksichtslose Zusammenarbeit für Geld.

Wir können froh sein, dass wir das nicht erlebt haben. Ich bin mit dem Bericht noch nicht ganz fertig. Ich verpflanze den Schlesierbaum jetzt in den Pott. Sie ist dann in meiner Nähe. Ich habe ihr vor Jahren versprochen, dass sie nicht in einem Alten- und Pflegeheim landen wird. Das kommt mir nicht in die Tüte.

Die Zeit heilt nicht alle Wunden. Sie leidet heute noch unter ihren Erlebnissen und wenn es sein muss, sprenge ich für die mutige alte Dame Gesetze. Ich habe Sachen unterschrieben ohne Vollmacht. Öhh, ich habe einfach irgendwelche §§ zitiert. Laut §§.... Geht doch. Ok, die Vollmachten reiche ich jetzt nach.

Die Zeit heilt nicht alle Wunden. Manche Wunden sitzen zu tief. Vertrauen. Das kommt von trauen. Wenn man sich getraut hat und man hinter Lug, Betrug, Geheimniskrämerei gekommen ist, ist der Vertrauensbruch da und dagegen anzukommen ist irre schwer. In diesem Sinne......



1 Kommentar:

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