Dienstag, 28. April 2009

Das ist die Berliner Luft Luft Luft

Die Berliner Luft weht nach NRW hinüber, insbesonders nach Düsseldorf, Essen und Duisburg.
Wir lasen, dass der Arbeitsagentur bis Oktober das Geld ausgehen wird, sie auf ein Darlehen des Bundes angewiesen sein wird und eine Umstellung der Finanzierung anstehe. Wie umgeht man das Finanzierungsproblem? In dem man es (teil)privatisiert oder outsourced.

Von einem Betroffenen:
"Ich habe erlebt, wie sehr sich der „Markt der Arbeitslosigkeit“ zu einem sehr lukrativen Geschäftsfeld entwickelt und dies alles mit tatkräftiger Unterstützung der ARGEN und JOBCENTER Berlin.


Im speziellen geht es um die Firma X mit Sitz in Berlin. Diese Firma gehört zur Branche der sog. Bildungsträger. Sie agiert deutschlandweit und ist spezialisiert auf Erwachsenen-, Aus- und Weiterbildung. Was ich persönlich erleben musste, kann ich nur als reinen „Erpressungsversuch“ interpretieren, bei dem es eindeutig darum ging, mehrere dutzend Langzeitarbeitssuchende in eine „neue Maßnahme bei einem privaten Bildungsträger“ zu „zwingen“.


Alles begann damit, dass ich vor wenigen Tagen eine „1. Einladung“ zu einer sog. „Gruppeninformations-Veranstaltung“ erhalten hatte (von einer Sachbearbeiterin, mit der ich persönlich noch NIE etwas zu tun hatte!) – und mit deutlich hervorgehobenen HINWEIS auf die SANKTIONSMÖGLICHKEITEN bei „Nichterscheinen“.


Pünktlich um 11 Uhr begann die zweite „Informationsveranstaltung“ an diesem Tag. Es waren mehr „Kunden“ erschienen, als Sitzmöglichkeiten vorhanden waren, was wohl daran lag, dass die Mitarbeiter von Fa. X nicht mit der „Kunden-Mitwirkungspflicht“ gerechnet hatten. Nach kurzer Einleitung durch einen „offiziellen Vertreter“ der JOBCENTER (welcher wohl absichtlich? immer wieder die Mitwirkungspflicht jedes Einzelnen und die Rolle des JOBCENTER bei dieser Maßnahme betonte), begrüßte uns der freundliche Mitarbeiter (firmenintern auch JOB-Scout genannt) der Firma X, Herr S.


Bevor ich weiter ins Detail gehe, möchte ich vorweg noch auf einen sehr wichtigen Aspekt solcher und ähnlicher Maßnahmen hinweisen. Wie unlängst in den „Massenmedien“ verbreitet wurde, stehen die Arbeitsagenturen, die Jobcenter und die einzelnen Landeshaushalte kurz vor dem RUIN. In Anbetracht dieser Tatsachen sollte sich jeder diesen Erfahrungsbericht hier „gut durchlesen, um sich dann ein besseres Bild der Gesamtsituation machen zu können“, gerade in Hinsicht auf die immer weiter steigende Zahl der Arbeitssuchenden, welche man innerhalb der nächsten Monate zu erwarten hat. Dieser persönliche Bericht hier zeugt von unangenehmen Tatsachen, welche in Zukunft wohl viel mehr Menschen betreffen werden.


Meiner Meinung nach, erlebte ich „LIVE“ die zukünftige Entwicklung in den Jobcentern unserer Republik. Für mich stellt sich das Ganze als eine Form der schleichenden Privatisierung der Arbeitsvermittlung dar. Eine zunehmende „VERMISCHUNG“ von staatlichen Aufgaben, mit scheinbar sehr profitablen, privaten Wirtschaftsinteressen. Eine sehr ernstzunehmende Gefahr für die „Rechtssicherheit“ von „Jobcenter-Kunden“, da eindeutig die Aufgabenteilung und die Sanktionsmöglichkeiten in einer solch ungeahnten Art und Weise vermischt werden, so dass der einzelne Kunde kaum noch eine Chance hat „SEINE RECHTE“ ordentlich durchsetzen zu können.


Meines Erachtens handelt es sich bei dieser speziellen Maßnahme, um eine reine Form des „VERMITTLUNGS-OUTSOURCING auf Kosten der Steuerzahler“, genau genommen, um die „Auslagerung von Jobcenteraufgaben“ in den Tätigkeitsbereich eines profitorientierten, privaten Unternehmens. Bezeichnenderweise läuft diese Form der „Auslagerung“ unter einer doppeldeutigen Bezeichnung namens: „GANZIL – ganzheitliche Integrationsleistung“.


Klingt doch irgendwie nett – oder? D.h. aber nichts weiter, als das der Leistungsumfang dieses privaten Unternehmens sich fast zu 100 % mit dem der Jobcenter deckt! Finanziert wird diese (und wohl auch ähnlich gelagerte) Maßnahme NATÜRLICH von den Arbeitsagenturen (ergo, dem STEUERZAHLER) – und ebenfalls selbstverständlich, auch ohne jeglichen „Erfolgszwang“?! Und dies berichtet auch der JOBSCOUT (scout: engl. für Pfadfinder) äh, Mitarbeiter von der Fa. X.


Die Fa. argumentiert mit einer Erfolgsbilanz, deutschlandweit und einer positive Vermittlungsquote von 30%! Erstaunlich nicht wahr? Anders ausgedrückt: diese Firma erhält zwar „enorme Steuergeldzuschüsse“ kann aber für über 70% ihrer „Kunden“ einfach NICHTS tun. Ist ja auch verständlich. Wo keine freien Arbeitsplätze vorhanden sind, kann man auch niemanden vermitteln! Aber das scheint ja alles halb so wild, denn schließlich bekommt die Fa. X auch so ihr Geld und macht dadurch wohl auch enormen Profit?!?


Nicht die Angebote des Jobcenters, auch nicht die Angebote der Fa. X stehen im Vordergrund – NEIN – das Einzige was zählt sind die Ergebnisse der Eigenbemühungen des einzelnen Kunden!!! Der Kunde selbst sucht sich Angebote, dann bewirbt er sich und die Fa. X berät ihn dabei BEGLEITEND. Dafür erhält diese Firma dann die Steuergeld-Zahlungen (Subventionen?). Jeder Kunde trägt selbst die Verantwortung für einen eventuellen Erfolg dieser neunmonatigen, ominösen Maßnahme und kann der Kunde dies nicht, so besteht immer noch die Möglichkeit, dass die Firma sich an das Jobcenter wendet, welches dann wiederum über „geeignete Motivationsmöglichkeiten, also Sanktionen“ entscheiden kann und vermutlich knallhart wird!!!


Doch dies alles ist noch nicht genug! Mich persönlich störte am meisten die Art und Weise wie hier mit arbeitssuchenden Menschen umgegangen wird. Erst verschicken die Jobcenter haufenweise „Einladungen“ (inkl. der üblichen Sanktionsandrohungen) zu einer angeblichen „Informationsveranstaltung“. Dann, wenn der Kunde erstmal ins „Netz“ gegangen ist, werden durch verbale Einschüchterungstaktiken die „schweren Geschütze“ aufgefahren und die „Jobcenter-Kunden“ noch an Ort und Stelle GENÖTIGT eine „Maßnahmeregelung“ zu unterzeichnen. (Wovon ich persönlich nur abraten kann! Denn man sollte erst einmal genau PRÜFEN, ob nicht schon bereits durch vorherige Maßnahmen und/oder durch Beauftragung von „Privaten Arbeitsvermittlern (mit Vermittlungsgutschein etc.)“ diese Maßnahme als „nicht bedarfsgerecht für die eigene Situation“ anzusehen ist und somit AUS WICHTIGEM GRUND „überflüssig“ werden würde, für einen selbst!)


Desweiteren kommen Verstöße gegen den Datenschutz hinzu, da die ersten Beratungsgespräche VOR ALLEN ANDEREN KUNDEN vorgenommen werden, sowie –und das ist die perfideste Masche– wird durch zu Hilfenahme einer angeblichen „Anwesenheitsliste“ (mit entsprechender Unterschrift des Kunden) daraus ein „Beratungsvertrag“ abgeleitet. Hiernach werden dann sofort die Termine für die nächsten „Beratungsgespräche“ verteilt. Ab jetzt säße man in der „Falle“!?


Doch es gibt auch Positives, denn mehrere Kunden verweigerten einfach ihre Unterschrift (und das zu Recht, m.M.n.). Denn niemals war auch nur ansatzweise in der Einladung die Rede von einem Vorstellungstermin mit anschließendem Vertragsabschluss. Alles war gut getarnt als „Informationsveranstaltung“. Die ganze Masche stinkt förmlich nach fieser Methodik zur Erpressung und Nötigung der arbeitssuchenden Kunden?!? Und zwar zu einer Maßnahme die wenig bis gar keinen Erfolg verspricht!


Für mich bleibt als Fazit nur der Schluss, dass es sich um eine sehr „fragwürdige Methode“, nach dem Motto: „fördern und fordern“ (damals einstimmig von ALLEN PARTEIEN beschlossen!) handelt. Jedoch könnte man auch versucht sein, anzunehmen, dass es sich hierbei auch um einen geschickten Versuch handelt, entweder a) die Statistiken zu schönen oder aber b) die Kosten der Jobcenter zu verringern?!? Doch darüber soll sich jeder selbst seine eigene Meinung bilden!


Ich für meinen Teil finde es einerseits ja gut, dass zusätzlich viel Geld investiert wird, um Menschen wieder in „Lohn und Brot“ zu bringen, jedoch ist für mich auch maßgeblich das WIE bei solchen Investitionen von STEUERGELDERN! Das hier beschriebene Beispiel scheint mir persönlich nur sehr gering erfolgversprechend. Da wären bedarfsorientierte, individuelle Qualifizierungsangebote für die Arbeitssuchenden eindeutig die besseren INVESTITIONS-Möglichkeiten in die derzeitige Arbeitsmarktproblematik. Dafür sollten Gelder bewilligt werden und nicht für Maßnahmen, welche unterm Strich nur zum Ziel haben ein „Vermittlungs-Outsourcing der JOBCENTER“ zu TARNEN.


Dies sollten die obersten Prioritäten der POLITIK am Arbeitsmarkt darstellen. Aber dazu müssen sich erst die Massen der Arbeitssuchenden (und die von Arbeitslosigkeit bedrohten) zusammentun, um für ihre Rechte öffentlich einzustehen."

Abschließend darf sich jeder Gedanken machen, welche Auswirkungen es auf die zukünftigen Generationen haben wird.

von Ebm, Fehlfarben und Schwalbe

6 Kommentare:

eightpage hat gesagt…

Hallo zusammen,

Vielen Dank für den Artikel. Ich habe über mein-parteibuch.com zu euch gefunden und bin erfreut, dass die deutsche Bloggerszene doch wesentlich lebendiger ist, als von mir angenommen.

Alles Gute weiterhin!

Anonym hat gesagt…

es ist ein Horror und wie im Steinzeit.
ich soll jede 2 Wochen die Context WAE firma besuchen und gemeinsam mit der Mitrabieter zusammen die Jobsangebot inder Zeitung suchen. Da habe ich gesagt es ist zu wenig, und die Antwort, ...mehr können Wir ja auch nicht machen können

Anonym hat gesagt…

Dieser artikel steht in gleicher Weise als einziger Artikel gegen die Gesellschaft in nahezu allen erreichbaren Plattformen. Interessant ist dabei, daß absolut niemand sonst gegen die Gesellschaft etwas schreibt, als genau dieser eine Betroffene.

Ich kann nur vor Vorverurteilungen warnen und insbesondere diesen Einzelfall nicht als pauschale Begründung der eigenen Ablehnung zu nutzen.

Genau so entstehen Verschwörungstheorien und ich bin mir sicher, daß der Verfasser dieses Beitrags einer derjenigen ist, die ohnehin keine Arbeit haben wollen, sondern so, wie unter seinem Beitrag im ELO-Forum steht, nur zur Arbeitsvermeidung in solche Veranstaltungen geht.

unicum hat gesagt…

Zu meinem Vorredner vom 29.07.09 kann ich nur sagen, dass die Problematik ja daran liegt, dass wir uns den Auferlegungen von Ämtern fügen! Auch ich bin in einer Berliner context Maßnahme und notiere mir die wöchentlichen nicht erbrachten Leistungen. Leider habe auch ich unterschrieben aus dem Hintergrund: was soll ich denn sonst tun? Aber mittlerweile sehe ich es auch so, dass es einfach eine Frechheit gegen alle arbeitenden (und auch nicht arbeitenden) Steuerzahler ist, die Gelder so zu verschwenden. Alles was ich hier tue könnte ich besser zuhause. Ich sehe auch nicht ein, dass diese Firma hier Gelder kassiert für eine nicht erbrachte Arbeitsvermittlung. Ich werde versuchen dagegen beim Amt Beschwerde beim Niederlassungsleiter einzulegen. Notfalls auch durch einen Anwalt. Wenn sich niemand wehrt, der hier zu Unrecht sitzt, wird sich auch nichts ändern!

Anonym hat gesagt…

Von mir nur soviel:
- die teilweise Auslagerung von Vermittliungsaufgabe an Bildungsträger läuft schon seit längerem. Bildungsträger bekommen seit mehreren Jahren keinen Zuschlag mehr von AA/Arge, wenn nicht eine bestimmte Anzahl von Teilnehmern während bis 6 Monate nach Ende der Maßnahme in einen Job kommt. Dies ist durch die Bildungungsträger abzurechnen.
- Context und andere Firmen in dieser Welle sind auch keine "echten" WEITERbildungsträger. es sind, insofern ist dem Autoren recht zu geben, Warteschleifen für das Jobcenter, bei denen die Outgesourceten auch aus der Statistik verschwinden. Es geht hier auch nicht um Vermittlung, sondern um Vermittlungsberatung und -coaching und wie immer man das nennen mag.
- das Ganze ist politisch gewollt und solange 15% der ALG II Empfänger und Arbeitslosen die FDP wählen, die Betroffene Mehrheit der Menschen diese politischen Zustände zulassen (man erschauere im Angesicht der verlorenen Häuflein von auf die Strasse Gehenden Demonstranten), solange wird sich daran nichts ändern.
* Alles andere ist hilfloses Gemecker* Tut mir leid...aber die Symptome zeigen nur die Krankheit, will ich die heilen, muss man an die Ursachen....

Der Vandale hat gesagt…

danke für den Artikel. Ahnliches habe ich bei einer so genannten Infoveranstaltung der Firma Ingeus erlebt. Gleiches Gehabe gleiche Prozedur. Auch wenn das ganze nicht besonders neu ist. Erinnern wir uns an Maatwerk. Aber die verantwortlichen (kann man die jc Geschäftsführer eigentlich als verantwortliche Menschen bezeichnen?) scheinen nichts gelernt zu haben aus der Maatwerk- Insolvenz. Also der einzige Rat: Sich erfolgreich wehren!!!! Das Schöne an der Sache: meist steht das Gesetz auf Seiten der Arbeitslosen.