Sonntag, 18. Januar 2009

Antikriegsdemo in Duisburg

Am Samstag, den 17.01.2009 fand in Duisburg-Hochfeld um 14.30 h eine Antikriegsdemo statt. Dem vorangegangen war um 13.00 h eine ProIsrael-Kundgebung in der Innenstadt. Bei dieser Kundgebung waren wir keine Zeitzeugen.

Die Demoteilnehmer der Antikriegsdemo versammelten sich am Hochfelder Markt. Auf dem Weg dorthin fiel die starke Präsenz der Polizei auf. Die Duisburger Polizei hatte sich reichlich Unterstützung aus den Nachbarstädten geholt. An den Veranstalter angeschlossen hatten sich, neben zahlreichen BürgerInnen, diverse Initiativen. Die Stimmung empfanden wir als recht entspannt. Jeder konnte mit jedem ins Gespräch kommen, ungeachtet der Herkunft und der Religion. Nachdem alle Reden gehalten worden waren, setzte sich der Protestzug in Bewegung, der bis in die Duisburger Innenstadt ziehen sollte. Das Ziel war der Burgplatz (Rathaus). Die Teilnehmerzahl dürfte mit 2.000 Personen richtig geschätzt sein. Unsere fürsorgliche -wir nennen das mal wohlwollend so- Polizei übernahm die Führung, flankierte uns rechts und links des Zuges und bildete das Schlusslicht.

Da ich mich bei Massenveranstaltungen höchst ungern in der Menge aufhalte, zog ich es vor am Rande zu gehen zwischen anderen Demoteilnehmern und unseren Freunden und Helfern. So bekommt man die Stimmung des Demostrationszuges mit und die der Polizei. Die Demonstranten waren mit Leib und Seele dabei und riefen ihre Empörung über die Geschehnisse im Gaza-Streifen heraus. Beim Studieren der Polizeigesichter sah man teilweise sehr angespannte Gesichter und teilweise locker-gelassene Gesichter. Eins war klar zu erkennen: ihnen sollte nichts entgehen.

Alles verlief friedlich, bis fünf Jugendliche unter den Hochfelder Arkaden die Israelflaggen zeigten. Ihnen war vorher von der Polizei angeraten worden, die Flaggen besser in den Rucksäcken zu lassen. Verbieten konnten sie es ihnen nicht, sonst hätte man der Polizei erneut die Unterdrückung der Meinungsfreiheit vorwerfen können. Dass sie sie trotzdem herausholten, ist eigentlich ein klares Anzeichen, dass sie bewusst provozieren wollten. Die beflaggten Jugendlichen versteckten sich hinter dem Schutzschirm der Polizei, bedecken ihre Gesichter und vor der Polizei ertönten Buh- und Schimpfrufe etlicher Demo-Teilnehmer. Man hörte es knallen. Die Polizei zögerte nicht lange auf unserer Seite. Ich hörte: "Zieht die Helme an und wer friedlich weiter demonstrieren will, geht hinter uns."

Die meisten Knallgeräusche hörten sich an, als ob jemand auf einen Metalldeckel gesprungen sei. Die anderen Knallgeräusche stammten von Knallkörpern. Wer sie dabei hatte und sie geworfen hatte, ist schwer zu sagen, auch wenn man in unmittelbarer Nähe stand. Auf dem Rückweg sahen wir an der Stelle tatsächlich einen Metalldeckel und die Überreste von ca. drei Knallern liegen.

Die Ordnung wurde schnell wiederhergestellt und die Jugendlichen von der Polizei hinausbegleitet. Erstaunlich, wie schnell die Presse zur Stelle war. Zufall? Haben sie einen Riecher, wenn es unruhig wird? Oder bekommen sie Tipps? Es ist bei jeder Demo auffällig, wie schnell sie ihre Kameras, auch bei der leichtesten Unruhe, zücken können. Eine Israelflagge wurde verbrannt, die man vermutlich den Jugendlichen weggenommen hatte. Hurtig war die Polizei mit ihren Feuerlöschern zur Stelle.

Einen weiteren Zwischenfall gab es ein paar Meter weiter. Jemand hatte eine Israelflagge aus dem Fenster gehangen, die aufgrund der Protestrufe schnell wieder eingezogen wurde. Der Protestzug endete am Platanenhof. Der Veranstalter rief das Ende der Demo aus. Es hieß, in der Innenstadt warteten die Anhänger der ProIsrael-Kundgebung auf uns und man fürchtete beidseitig ein Überkicken der Emotionen. Die Demo löste sich, zwar nicht protestlos, friedlich auf.

Es ist wenig hilfreich, wenn bei youtube Einzelszenen zur Stimmungsmache eingestellt werden, ohne die Ursachen und Zusammenhänge zu kennen. Wir sind weder einverstanden mit den Provokationen, mit dem Provozieren lassen, noch mit dem Verbrennen von Fahnen oder mit dem Werfen von irgendetwas. Man konnte aber beidseitig zur Beschwichtigung beitragen. Vorrangig war, sich für den Frieden einzusetzen. Uns wäre es lieber gewesen, wenn ALLE geschlossen und solidarisch zu einer gemeinsamen Demonstration für den Frieden und gegen den Krieg gegangen wären. Es ist wohl zu viel Emotionalität beidseitig vorhanden (aber längst nicht bei allen), die in den letzten Wochen geschürt wurde.

Bevor man sich nun verurteilend über diese Menschen ausläßt, dürfen sich die Menschen mit den Vorurteilen gegenüber Mitbürgern anderer Herkunft und Religion fragen, wie sie zu dem Verhalten gewisser Fußballfans (auch hier nicht alle) bestimmter Reviermannschaften stehen. Damit sind die heißen Revierderbys gemeint, wo man sich schon vorher mit reichlich Alkohol in Stimmung bringt, um es den gegnerischen Fans so richtig zu zeigen. Die Kinder dieser Fans werden gleich mit Hass getränkt, d. h. alle Fans der anderen Mannschaften sind 'böse'.

Die einen setzen sich nüchtern wegen Ungerechtigkeiten für ihr Volk ein, die anderen angetrunken für ihren Sport, ihre Mannschaft oder ihre selbsternannten Helden. Wenn einem diese gröhlenden besoffenen Fans im Pulk auf der Straße begegnen, wechselt man besser die Straßenseite, weil man mit Pöbeleien und Anrempelungen rechnen muss und die Fäuste allzu locker in der Tasche stecken. Es darf auch jeder mal schauen kommen, wie nach bestimmten Spielen Busse, Straßenbahnen und Züge zugerichtet wurden, aber das sind ja 'nur' angetrunkene Fußballfans. Viele Stadien gleichen einem Hochsicherheitstrakt.

Man liest in Userkommentaren zu Artikeln der Regionalpresse über Demos, was das wieder an Steuergeldern kostet?! Was kosten wohl die Polizeieinsätze jedes Wochenende bundesweit bei den Fußballspielen und das Reinigen und die Renovierung der Öffentlichen Verkehrsmittel und Haltestellen, wenn die Spiele aller Ligen wieder beginnen?
Ich gebe meine Steuergelder lieber für einen Polizeieinsatz für den Frieden her, als für Polizeieinsätze beim Sport, weil die Leute Sport und Negativgefühle nicht trennen können und die Spiele als Aggressionsventil benutzen. Manche fragen nicht lange, bevor sie eine 'Gesichtsmassage' verabreichen. Es reicht ein Fan der gegnerischen Mannschaft zu sein oder einfach nur Bürger dieser Stadt, wenn man Pech hat und gerade zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort ist.

Dann las ich aus Kommentaren von Menschen, die in Duisburg vor Ort waren, dass 'der letzte Abschaum' sich zusammengerottet hätte, 'solche Tiere', 'der Mob'. Wonach wird das bemessen? Nach der Haarfarbe, der Sprache, der Religion, dem Outfit, der Herkunft? Daran, dass wir wegen des Regens Kaputzen, Mützen und Kappen aufzogen und deshalb wie 'verwegene kriminelle Gestalten' aussahen?!Daraus muss ich schließen, dass 2.000 Teilnehmer in Duisburg sich diese Diskriminierungen gefallen lassen müssen?!

Diese Menschen haben versäumt, sich mit den Menschen unterhalten zu haben bzw. sie kennenzulernen oder zu kennen. Die meisten von ihnen verfügen über ein gutes Politik- und Geschichtswissen, haben Bildung, eine solide Ausbildung gemacht, arbeiten, haben ihr eigenes Geschäft und zahlen Steuern. Das kann man natürlich nicht wissen, wenn man sich irgendwo hinstellt und aufgrund der Optik, der Rufe und der Medienhetze gegen die 'radikalen extremistischen Islamisten' einen getrübten Blick hat. Man störte sich an den Rufen. Das war Israel Kindermörder, Frauenmörder, Terrorist, Faschist, feige, Bomben gegen Steine, Freiheit für Gaza. Es ertönte kein 'Tod den Juden' oder 'Tod Israel' wie bei anderen Demos. Man darf sich gerne mal die Schlachtrufe der Fußballfans bestimmter Vereine anhören. Da meint man, sie ziehen blutrünstig in den Krieg und haben eine MP dabei.

Ein User schrieb, wer sein Auto kostengünstig loswerden wolle, bräuchte es am Samstag nur in Hochfeld abzustellen. Das zeigt, dass er den Hochfeldern, den Duisburgern allgemein, allen Demoteilnehmern von vorneherein Gewaltbereitschaft unterstellt und von Hochfeld wenig Ahnung hat. Irgendjemand muss seine Weisheit vom Hörensagen bezogen haben. Da wir uns öfter in Hochfeld aufhalten und Freunde dort wohnen, können wir uns ein anderes differenzierteres Urteil bilden. Es gibt in jedem Stadtteil angenehme und weniger angenehme Ecken und Menschen. Auch in Nobelvierteln wohnen Stinkstiefel.

Genau in diesem Kommentarforum begrüßen nun Stimmen das Vorhaben die Hamasflaggen bei Demos zu verbieten, während man sich über das Abhängen von Israelflaggen moniert hat wg. Verstoßes gegen die Meinungsfreiheit. Was nun, alle Flaggen zulassen oder nur gegen bestimmte sein?
Der Frieden muss sich in den Köpfen und in den Herzen der Menschen vollziehen, ohne Wir- und Ihrdenken.

Das geschilderte Geschehen sind unsere Eindrücke und Beobachtungen.

© 2009 Copyright Kinder-Alarm Andy und Schwalbe 18.01.2009

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