Montag, 4. August 2008

Der Wahrheitsgehalt von Politikerreden

Irgendwo habe ich mal gelesen, dass Ehrlichkeit siegt. Das ist aber schon lange her und erinnert mich an 'es war einmal'. Sagt mir quando, sagt mir wann? Der Aufschwung war und ist in Politikermunde. Er wurde uns verkündet. Was wir erlebt haben, ist der Aufschwung der Lebensmittel- und Energiepreise. Wir spüren ihn durch ein geleertes oder geschwächtes Konto (oder ist das eine Läuterung?) und im Portemonee. Laut neuer deutscher Rechtschreibung darf ich 'Portemonee' so schreiben, nach der Reform, der Reform, der Reform der Rechtschreibreform.
Wo ist der Aufschwung? In der Rechtschreibreform? Man lamentiert über das Rauchverbot. Nun, sollen sie das Rauchen verbieten. Warum tun sie es nicht? Die Frage ist einfach zu beantworten: es würden die Einnahmen durch die Tabak- und Mehrwertsteuer fehlen. Bei den Gesundheitsfolgen würde die Pharmaindustrie Einbußen erleiden. Den Aufschwung haben Firmen und Banken erlebt: mit Millionengewinnen. Ihre MitarbeiterInnen werden vermehrt entlassen. Wenn nun die Erwerbslosen Frau Merkels Aussagen ernst nehmen und einfordern würden, obwohl es nicht zum Regelsatz gehört, wird es schwierig.

In Absprache mit der NRhZ (Neue Rheinische Zeitung) stelle ich ihren Artikel herein, über den ich mich amüsiert habe. Es steckt viel Wahrheit in ihm. Diesen Artikel darf man als Flyer ausdrucken und verteilen, vorausgesetzt man tut es nicht anonym oder auf eigenen Namen. Es müssen der Verfasser und die Zeitung angegeben werden (Urhebergesetz). Viel Vernügen und wegen der Vollbeschäftigung schönen wir die Zahlen:

http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=12690

Die Krise ist die Quittung für eine falsche Politik
Merkel angezählt
Von Hans-Dieter Hey
Der wirtschaftliche Aufschwung, den Bundeskanzlerin Angela Merkel vor kurzem vollmundig noch als ihren eigenen verkünden ließ, und „der jetzt unten" angekommen sei, ist schon wieder zu Ende. Weder die sogenannten „Börsen-Analysten" noch die „Wirtschaftsexperten" wissen, wie lang die Krise andauert. Und vor allem wissen die Wirtschaftsorakel nicht, wie tief wir dabei noch fallen. Jetzt zeigen sich die Fehler von Merkels einseitiger Politik, nur auf den Export gesetzt, und den Binnenmarkt vernachlässigt zu haben.

Zuversicht der Verbraucher sinkt
Während Angela Merkel schon mal Brutto und Netto verwechselt oder nicht informiert ist, dass teurer Strom und teure Heißwasserbereitung im Regelsatz von Hatz IV nur begrenzt ersetzt werden, kann die studierte Physikerin jetzt offensichtlich auch Ursache und Wirkung nicht mehr auseinander halten. In diesen Tagen nehmen viele erstaunt zur Kenntnis, dass Vollbeschäftigung für die Bundeskanzlerin realistisch erscheint. Doch inzwischen dürfte sich herumgesprochen haben, dass selbst der (Export-)Aufschwung der letzten Jahre netto kaum mehr Beschäftigungseffekte gebracht hat. Und wie sich diese bei täglich neu einlaufenden Meldungen über Entlassungen und dem bevorstehenden deutlichen Konjunktureinbruch einstellen soll, wissen vielleicht nur Statistiker, die seit Jahren die Erwerblosen in der Statistik verschwinden lassen. Am 7. Juli verkündete das Handelsblatt, dass allein der hohe Rohölpreis mindestens 200.000 Arbeitsplätze vernichte.

Allein Bundesbank und Allianz verloren über fünf Prozent. Vielerorts in der Welt geht die Angst vor einer Rezession um. Vor allem ist aber in Europa das Wachstum gefährdet, und in England, Frankreich und Deutschland gehen die roten Konjunkturlampen an. Die Industrieproduktion in Italien und Frankreich sank um 1,4 beziehungsweise um 2,6 Prozent, in England sinken die Immobilienpreise dramatisch. Der Wachstumsindikator des Europäischen Instituts für Wirtschaftsforschung (ZEW) wies im Juli 11,5 Punkte weniger aus, als einen Monat zuvor. Es ist der niedrigste Stand seit dem Jahr 1991. Noch hält sich der Export einigermaßen stabil – trotz schwachen Dollars und Finanzkrise. Um die Einbrüche hierzulande aufzufangen, reicht auch nicht mehr das Wachstum zum Beispiel in Süd-Amerika. Der Commerzbank-Ökonom Matthias Rubisch gegenüber der Berliner Zeitung vom 11. Juli: "Die Nachfrage in den Schwellenländern wird dies nicht mehr kompensieren können".

Angela Merkel macht weiter wie bisher
Angela Merkel sieht indessen keine Notwendigkeit, ein Konjunkturprogramm aufzulegen, wie Michael Glos es vorgeschlagen hat. Doch seine vorgeschlagenen Steuererleichterungen durch höhere Freibeträge, Wiedereinführung der Pendlerpauschale oder Reform des Steuertarifs sind kein wirkliches Konjunkturprogramm, weil es viel zu spät einsetzen würde und sich Steuererleichterungen zudem nur als Strohfeuer zeigen dürften. Man darf nicht vergessen, dass die Konjunkturprogramme der 1970er Jahre mit zu unserer hohen Staatsverschuldung beigetragen haben. Da müsste mehr getan werden, vor allem strukturell. Doch zu mehr hat Glos wohl keinen Mut, weil er sich bereits jetzt das Nein der „Bremser im Kabinett Merkel" (Rainer Brüderle, FDP, gegenüber der Frankfurter Rundschau) eingehandelt hat. Einer von ihnen dürfte Finanzminister Peer Steinbrück sein, denn er muss das alles bezahlen, und das gefährdet seine Haushalsziele. Was die neoliberale Mainstream-Presse selten thematisiert, ist, dass die Probleme wesentlich auch hausgemacht sind. Die starke Abhängigkeit vom Export und das Vertrauen darin zeigt sich inzwischen nämlich als trügerisch. Das seit Jahren politisch verursachte Lohndumping, die Schwächung der Durchsetzungskraft der Gewerkschaften bei Lohnforderungen und die Politik der Ausbeutungs- und Niedriglöhne durch Hartz IV hat zu einer Schwächung der konsumtiven Kraft am Binnenmarkt geführt – mit enormer Dauerwirkung. Inzwischen nähern wir uns US-Amerikanischen Verhältnissen. Dort werden uns gerade die negativen Folgen der neoliberalen Politik vorgemacht: Die Spaltung der Gesellschaft in arm und reich ist inzwischen so groß wie in der 1920er Jahren, berichtete sogar das Manager-Magazin am 28. Juli, und spricht von der Verantwortung „marktverliebter Politiker". Dort – beim „großen Bruder" – stünden seit der Depression der 1930er Jahre noch nie so viele Familien vor dem Abgrund, so das Magazin.Genau so erodiert auch bei uns die gesamte Mittelschicht nachhaltig. Die Unternehmensberatung McKinsey hat in einer Studie herausgefunden, dass bis zum Jahr 2020 nicht einmal die Hälfte der Bundesbürger zur Mittelschicht gehören. Zwischen dem Jahr 2000 und 2006 sank ihr Anteil bereits von 62 Prozent auf 54 Prozent. Auch dies ist eine Folge der Lohneinbrüche und Umverteilung von unten nach oben. Es wundert deshalb nicht, dass viele die Hoffnung aufgegeben haben, der private Konsum könne die Probleme noch abschwächen. WestLB-Chef Jörg Lüschow gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters am 28. Juli: "Die erhoffte Konsumbelebung wird immer unwahrscheinlicher. Das ist schmerzhaft für die deutsche Wirtschaft, weil auch Export und Investitionen als Wachstumsmotor ausfallen."
(HDH)Online-Flyer Nr. 157 vom 30.07.2008
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